Unter den Körben herrscht Big E. – Erica Carlson ist eine Weltenbummlerin in Sachen Basketball

Washington, Riad, Tucson, San Diego, Leimen, Heidelberg und immer wieder Australien – Erica Carlson ist schon weit herumgekommen. Die 28-jährige Centerspielerin aus den USA schickt sich gerade an, mit den AXSE BasCats die Meisterschaft in der 2. Bundesliga zu erringen. Das erste Finale am letzten Samstag wurde überlegen mit 61:31 gewonnen, nun fehlt noch ein Sieg am kommenden Samstag in Bamberg und der Titel wäre errungen. „Es war eine großartige Teamleistung“, sagte Carlson dazu.

Seit fünf Jahren spielt sie für die BasCats und hat sich zur unumstrittenen Führungsspielerin entwickelt. Mit ihrem Durchsetzungsvermögen sowie der Reboundstärke und Treffsicherheit zählt sie zu den besten Spielerinnen der 2. Bundesliga. „Das Spiel unter dem Korb ist definitiv ein Kampf, ja manchmal eine Schlacht“, beschreibt sie die physischen Anforderungen. Mit 1,93 Meter Größe hat sie beste Voraussetzungen, ausboxen kann sie auch und ihre Blocks sind oft spektakulär. In jeder Saison stand Erica Carlson in den Playoffs, im Vorjahr wurde erstmals das Finale erreicht, das sie dann wegen einer Handverletzung verpasste. Carlson fehlte gegen die übermächtigen Bad Aibling Fireballs sehr. Mittlerweile ist sie wie ihre Landsfrau Serena Benavente am Neckar heimisch geworden. Doch Heidelberg ist lediglich eine der vielen Stationen in ihrem noch jungen Leben.

Erica Carlson wurde am 7. Mai 1988 in Kirkland, Washington, geboren. Die 48.000-Einwohner-Stadt liegt am Lake Washington und ist ein östlicher Vorort von Seattle. Als Erica Carlson zwei Jahre alt war, ging die Familie nach Saudi Arabien, weil Vater Toby als Boing-Mitarbeiter in Riad einen Job bekam. Als im Januar 1991 der Golfkrieg ausbrach, wurde die Familie evakuiert, der Vater blieb dort. Mutter Kim, Erica und ihre beiden Brüder kehrten in die USA nach Oregon zurück. Nach Kriegsende gingen sie wieder nach Riad und lebten dort bis 1996. Die Kinder besuchten eine internationale Schule in der saudi-arabischen Hauptstadt.

1996 kehrten die Carlsons nach Washington zurück. Die Eltern wollten dort eine Creperie eröffnen, doch das klappte nicht. Als sich die Eltern trennten, zog Kim Carlson mit den Kindern nach Tucson, Arizona. „Tucson ist eine sehr heiße Stadt in einer Landschaft, die überwiegend braun ist. Es gibt nur wenig Grün“, erklärt Erica Carlson, die die große Hitze von Riad schon gewohnt war. In Tucson besuchte sie die „Middle School“ und „High School“ und begann im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren mit dem Basketball. „Ich war schon immer zu groß für mein Alter“, erinnert sich Carlson. Insofern war sie für Basketball prädestiniert. Sie versuchte sich auch ein Jahr lang im Crosslaufen („das war nicht meine Stärke“) sowie im Diskuswerfen und Kugelstoßen.

Schnell gehörte ihr Herz jedoch dem Basketball. „Basketball ist ein Teamsport, es ist aufregend, weil so viel passieren und der Spielverlauf sich ständig ändern kann“, sagt Erica Carlson. Sie hatte die Möglichkeit, in verschiedenen Teams zu spielen, Schul-Basketball in Arizona und Klub-Basketball in Washington. Auf der Can del Oro High School in Tucson war sie „Defensive Player of the Year“ und gewann mit ihrem Team die Regionsmeisterschaft.  Im Schnitt punktete sie stets zweistellig und pflückte immer mehr als zehn Rebounds. Ihren Spitzennamen „Big E.“ hat sie aus der College-Zeit. Dort gab es eine kleine Aufbauspielerin, die auch Erica hieß und „Little E.“ genannt wurde.

„Das Spiel unter dem Korb ist eine Schlacht“, sagt BasCats-Center Erica Carlson.

Foto: Gisbert Kühner

Nach der High School entschied sich Erica Carlson für die University of San Diego, zum einen wegen des Studienfachs (Wirtschafts- und Kommunikationswissenschaften), zum anderen auch wegen der dortigen Trainer und des Basketballprogramms. In ihrem ersten Jahr musste sie wegen einer Schulterverletzung aussetzen, dann startete sie bei den Toreros richtig durch. In der Saison 2007/08 gewannen die Toreros mit ihrer Hilfe die „WCC Tournament championship“. Ein Jahr wurde sie zur Dixie State University nach St. George (Utah) transferiert, insgesamt spielte sie vier Jahre in San Diego.

„Ich wollte immer nach Europa, viele meiner Kommilitonen haben dort gespielt“, begründet Erica Carlson ihren Wechsel nach Deutschland. 2011 hatte sie verschiedene Angebote aus der 1. und 2. Bundesliga. Durch ihre Agentin wurde sie von Thorsten Schulz, damals Trainer der KuSG Leimen, kontaktiert. „Ich habe dann eine Wohnung in Handschuhsheim gefunden und mich für die 2. Liga entschieden“, erinnert sie sich an die Anfänge in der Kurpfalz. „Heidelberg ist eine großartige Stadt, die Altstadt und das Schloss sind sehr malerisch. Mein Lieblingsplatz ist die Neckarwiese“, gibt sie zu. Da kann die sonnenverwöhnte Amerikanerin am besten chillen und sich erholen. „Heidelberg ist mein Zuhause, ich liebe es hier.“ Dass sie den Sprung in die Profiliga WNBA nicht geschafft hat, stört sie nicht. „Andere Länder kennen zu lernen, das ist besser als die WNBA“, findet sie. In ihrer Freizeit liest sie gern, trifft sich mit Freunden und bäckt mit großer Begeisterung.

Ein Jahr spielte Erica Carlson für die KuSG, das nach der Meisterschaft 2010 völlig neu formierte Team verpasste aber die Playoffs. In dieser Zeit lernte sie Serena Benavente kennen, die beiden wurden Freundinnen. „Sie hat mich mit Dennis in Kontakt gebracht“, so Carlson. In Kontakt war sie auch mit Tara Flaherty, im Jahr zuvor Center bei den BasCats, die dann jedoch nicht nach Deutschland zurückkehrte. So heuerte sie bei den BasCats an und es begann eine Erfolgsgeschichte. Der Wechsel sorgte in Leimen durchaus für Verdruss, aber schon damals war abzusehen, dass Zweitliga-Basketball in Leimen keine große Zukunft mehr haben würde. Beim aufstrebenden Team der BasCats sah sie die besseren Perspektiven.


Durch Serena Benavente (rechts) kam Erica Carlson zu den BasCats.

Foto: privat

Erica Carlson erfüllte die Erwartungen, die in sie gesetzt wurden, voll und ganz. Eines ihrer besten Spiele machte sie im Dezember 2012 im DBBL-Pokal-Achtelfinale gegen die Eisvögel Freiburg. Mit 31 Punkten war sie bei der achtbaren 60:74-Niederlage der Heidelbergerinnen die überragende Erscheinung des Abends. „Das war, glaube ich, mein Spiel mit den meisten Punkten“, so Carlson.

Nachdem sie im Vorjahr die Finalspiele gegen Bad Aibling verpasste, war sie auf die diesjährigen Finalspiele gegen Bamberg besonders heiß. „Die Finals sind ein großer Moment für mich“, gibt sie zu. Das Duell mit Bambergs Center Victoria Waldner, die noch drei Zentimeter größer ist, war auch am letzten Samstag wieder ein „battle“, wie Carlson es formuliert.

Apropos Größe – leidet Erica Carlson unter ihrer Größe, wie einst die legendäre Uljana Semjonova aus der Sowjetunion, mit 2,18 Metern die wohl größte Basketballerin aller Zeiten? „Es ist natürlich schwerer, Kleidung und Schuhe zu bekommen, aber für Basketball war es ja gut“, so Carlson. Natürlich war sie auch größer als die meistens Jungs, trotzdem hat sie mittlerweile ihr privates Glück gefunden. Ihr Freund ist fünf Zentimeter größer. Im Sommer spielte sie in den letzten Jahren immer in Australien, wo ihr Freund – ein Australier – lebt. Die Saison in der „Summer League“ geht von Ende April bis Anfang August. Dadurch hat sie zwar wenig Pause, aber „ich kann mich dort sehr verbessern“. Sie spielt in Brisbane im Bundesstaat Queensland. „Das passt perfekt, letztes Jahr haben viele Spielerinnen aus den ersten beiden Ligen Deutschlands dort gespielt.“ Die dortige „state league“ besteht aus zwölf Teams, am Schluss werden noch Playoffs gespielt. Auch in Australien fühlt sich Erica Carlson immer sehr wohl, kein Wunder, sind es doch nur 40 Minuten bis zum Strand… Mit zweimal Training die Woche und einem Spiel am Wochenende ist der Aufwand überschaubar. Und, „in Australien ist jeder freundlich, ich liebe es sehr.“

Doch zurück zu den Finalspielen. Gegen Bamberg war ihre Physis wieder besonders gefragt sein. In der laufenden Saison hat sich ihre Rolle allerdings verändert. Durch die Neuzugänge Viktoria Krell und Martina Letkova ist nicht mehr Alleinherrscherin unter dem Korb. „Ich kreiere mehr für das Team, dadurch sind meine persönlichen Statistiken schlechter geworden, das Team insgesamt aber besser. Das Team hat große Schritte gemacht.“

Und wie sieht sie die Chancen auf die Meisterschaft? „Wir haben gute Chancen Meister zu werden, weil wir in dieser Saison wirklich stabil sind.“ Bisher gab es immer reine Profiteams wie Bad Aibling im letzten Jahr, die den Weg nach oben versperrten. „In dieser Saison haben wir eine Reihe von tollen Spielen gemacht, und dies war eine gute Vorbereitung für die Finals. Ich wäre sehr enttäuscht, wenn wir nicht Meister werden.“ Zu den finanziellen Hürden eines Bundesliga-Aufstieges möchte sie nichts sagen, weil „wir das nicht beeinflussen können.“

Duell der Größten in der 2. Liga: Erica Carlson gegen Victoria Waldner (Nr. 44).
Foto: Gisbert Kühner

Beim ersten Finale kamen 600 Zuschauer ins ISSW und sorgte für tolle Stimmung. Diese Unterstützung hätten die BasCats in dieser Saison öfter mal verdient gehabt. Dass die Zuschauerzahlen nicht immer befriedigend waren, verwundert Erica Carlson allerdings nicht so sehr. „In Heidelberg wird so viel geboten, wir konkurrieren mit anderen um die Freizeit der Leute.“ Sie findet die Atmosphäre im ISSW „wirklich toll, die Unterstützung bedeutet uns sehr viel.“ Manager Stephan Winkler mache in Sachen Vermarktung einen „super Job.“

Am Samstag in Bamberg wird Erica Carlson, wie das ganze Team, noch einmal alles geben und erneut Victoria Waldner „bekämpfen.“ Der Titel wäre selbst für eine Weltenbummlerin wie sie etwas ganz Besonderes. Wie lange sie noch spielen möchte, darüber hat sie sich noch keine Gedanken gemacht, aber mit den BasCats in der 1. Bundesliga zu spielen, wäre sicherlich ein großer Anreiz. Doch zuvor wird es wieder nach Australien gehen – eine Erica Carlson hält es eben nicht an einem Ort. Sie ist und bleibt eine Weltenbummlerin in Sachen Basketball.

Michael Rappe

Video Erica Carlson im Jahr 2011:

https://www.youtube.com/watch?v=9n6xHXEtHNc

Zur Person: Erica Carlson

Erica Carlson am geliebten Heidelberger Schloss.

Foto: privat

Geboren: am 7. Mai 1988 in Kirkland, Washington.

Wohnort: Heidelberg.

Familienstand: ledig.

Größe: 1,93 m.

Position: Center.

Beruf: Basketball-Profi.

Bisherige Vereine: Canyon del Oro High School Tucson (Arizona), University of San Diego (2006-2010), Dixie State College St. George (Utah, 2010/11)), 2011/12 KuSG Leimen, seit Juli 2012 BasCats USC Heidelberg. Im Sommer jeweils Australian Summer League in Brisbane.

Erfolge: 5x in Folge Playoff-Teilnahme (2013 bis 2017), Playoff-Finalist 2016, 2017.

Ehrungen: Mehrmals Player und Center off the year (gewählt von Eurobasket).

Michael Rappe