Wenn Körbe zählen, die gar keine sind  

Es war vielleicht eines der dramatischsten Basketballspiele, die die alte Halle im Heidelberger Sportinstitut erlebt hat. Nach einem Krimi ohnegleichen verloren die SNP BasCats gegen den Tabellenführer und großen Meisterschaftsfavoriten Rutronik Stars Keltern mit 88:92 nach Verlängerung. Es war ein wahres Wechselbad der Gefühle, das aufgrund einer umstrittenen Schiedsrichterentscheidung noch ein Nachspiel haben könnte. Tatsache ist, dass die SNP BasCats der international top besetzten Mannschaft einen ganz großen Kampf geliefert, einen 15-Punkte-Rückstand aufgeholt und selbst in der Verlängerung mit fünf Punkten (87:82) geführt haben. Eine denkwürdige Partie, die viele wohl nicht so schnell vergessen werden.

Das Hinspiel war mit 98:50 für Keltern eine ganz klare Sache gewesen, doch auswärts und zu Hause, das sind bei den SNP BasCats zwei völlig verschiedene Schuhe. Nach dem furiosen Sieg gegen Marburg wollten sie den hohen Favoriten zumindest ärgern. Und das taten sie. Ein Dreier von Pele Gianotti – es blieb leider ihr einziger – brachte die 5:4-Führung. Dann die umstrittene Szene des Spiels: Brittany Brown wirft, der Ball prallt vom Korb zurück, Krystal Vaughn wird beim Rebound gefoult. Die Schiedsrichter zeigen zurecht zwei Freiwürfe an. Den ersten verwandelt Vaughn -5:5. Alle warten auf den zweiten, doch plötzlich geht einer der Schiedsrichter zum Kampfgericht. Verwirrung in der Halle, beide Trainer reklamieren. Plötzlich wird der Spielstand auf 5:7 gestellt, also ein Korb mit And-One. Warum, das weiß außer den Schiedsrichtern niemand. Es gab keinen Treffer von Keltern.

Rachel Arthur gegen gleich drei Kelternerinnen.
Foto: Tom Eisele

Die SNP BasCats ließen sich davon zunächst nicht beirren. Britta Daub und Olivia Nash per Dreier sorgten für eine 10:7-Führung. Bis zum 19:20 blieb es ausgeglichen, dann bekam Keltern einen Lauf. Sie wirkten viel aggressiver und vor allem Center Andrijana Cvitkovic war kaum zu stoppen (14 Punkte im ersten Viertel). Es war eine Partie mit vielen Fouls und Freiwürfen. Keltern zog auf neun Punkte davon, zur ersten Viertelpause waren es sieben (24:31). 31 Gegenpunkte, das ist viel zu viel. Aber Pele Gianotti und Olivia Nash hatten bereits neun Punkte auf dem Konto.

Das zweite Viertel begann mit einem Lauf für Keltern. Beim 27:42 war die höchste Führung für den Tabellenführer zu verzeichnen, der nun einem klaren Sieg entgegen zu sehen schien. Doch der Kampfgeist der SNP BasCats war nicht gebrochen. Mit 39:48 ging es in die Halbzeit.

Nach der Halbzeitpause steigerten die SNP BasCats die Intensität in der Verteidigung und auch offensiv lief es gut. Ein Dreier von Britta Daub und zwei Körbe von Olivia Nash und Rachel Arthur brachten den Ausgleich zum 50:50, und wenig später die erste Führung nach längerer Zeit durch einen Freiwurf von Victoria Harris (53:52). Es war schon erstaunlich, wie Keltern sich die Kontrolle übers Spiel nehmen ließ. Nur in einem Punkt blieben die SNP BasCats deutlich unterlegen, nämlich im Rebound. Die enorme Physis von Krystal Vaughn, Andrijana Cvitkovic, Brittany Brown oder Shequila Joseph war beeindruckend. Mit 18:7 ging das dritte Viertel an den Außenseiter – eine tolle Defensivleistung.

Die Zuschauer hielt es längst nicht mehr auf den Sitzen. Die SNP BasCats hielten eine knappe Führung, sie hätte noch höher sein können als 67:61, als Rachel Arthur einen Freiwurf nach einem Technischen Foul gegen Kelterns Coach Chris Hergenröther vergab. Dann musste Cvitkovic mit dem fünften Foul vom Feld, Pele Gianotti verwandelte die fälligen Freiwürfe zum 73:69. Doch Mayombo und ein Dreier von Joseph wendeten das Blatt (73:74), umgehend gekontert von der herausragenden Britta Daub. Nach der erneuten Führung durch zwei Freiwürfe von Harris (77:76) verpassten die SNP BasCats es zu foulen, so dass Brown zwölf Sekunden vor Schluss zum 77:78 traf. Doch Olivia Nash ließ nach Zuspiel von Daub die Halle mit einem Dreier explodieren: 80:78. 1,4 Sekunden vor Schluss Einwurf für Keltern, Mayombo passt zu Brown, die wirft, der Ball prallt vom Korb zurück. Die Ersatzspielerinnen der SNP BasCats laufen jubelnd aufs Spielfeld – und stoppen jäh ab. Einer der Schiedsrichter entscheidet auf Foul und zeigt drei Freiwürfe an. War es ein Foul von Rachel Arthur? War es vor der Dreierlinie? War die Zeit schon abgelaufen? Jedenfalls schreitet Brown an die Freiwurflinie, trifft den ersten, verwirft den zweiten, verwandelt den dritten Freiwurf – Verlängerung.

Olivia Nash überragte mit 25 Punkten.
Foto: Tom Eisele

Es herrscht ein Höllenlärm im ISSW. Die SNP BasCats spielen und kämpfen so weiter wie zuvor. Ein Korb von Arthur, einer von Brown, ein Dreier von Arthur und zwei Freiwürfe von Nash zum 87:82. Die Entscheidung? Nein, Jasmine Thomas, im ersten Viertel gar nicht eingesetzt, dreht immer mehr auf. Dann folgen unglückliche Aktionen der Heidelbergerinnen. Britta Daub verwirft zwei Freiwürfe, Olivia Nash vergibt einen Korbleger. Joseph trifft ihren zweiten Dreier: 87:89. Arthur trifft nur einen ihrer beiden Freiwürfe, Harris muss mit dem fünften Foul vom Feld, Thomas trifft nur einen ihrer beiden Freiwürfe zum 88:90. Dann, drei Sekunden vor Schluss, ein Fehlpass von Daub – das war es. Aber wer will ihr einen Vorwurf machen, nach einer glänzenden Partie, in der sie mit höchstem Tempo Regie geführt hat und am Ende zwölf Punkte, drei Rebounds, vier Vorlagen und zwei Ballgewinne in der Statistik hat. Wie keine andere der deutschen Spielerinnen hat sie sich in der 1. Bundesliga etabliert. Olivia Nash hatte am Ende 25 Punkte, Pele Gianotti 21 Punkte auf dem Konto, drei weitere Spielerinnen punkteten zweistellig.

Britta Daub führte wieder glänzend Regie.
Foto: Tom Eisele

Die SNP BasCats haben eine leidenschaftlich geführte Partie äußerst unglücklich und sehr umstritten verloren. Ein Protest ist auf dem Spielberichtsbogen vermerkt. Das eigentliche Ergebnis nach regulärer Spielzeit wäre 80:79 (sofern Vaughn den zweiten Freiwurf zum 5:6 verwandelt hätte), sonst 80:78 für die Gastgeberinnen gewesen. Kein Lohn also für eine großartige Leistung gegen das beste Team der Liga. Eines steht aber fest: Die SNP BasCats gehören definitiv in die 1. Bundesliga. Noch müssen sie um den Klassenerhalt bangen, aber mit derartigen Vorstellungen vor eigenem Publikum sollte er geschafft werden.

Nächsten Samstag kommt der deutsche Meister Herne ins ISSW. Mittlerweile sollte sich herumgesprochen haben, was die SNP BasCats an bester Unterhaltung bieten. Unter diesem Gesichtspunkt haben die Zuschauerzahlen noch deutlich Luft nach oben. Die, die waren, waren restlos begeistert.

Stenogramm: 5:4 (2.), 5:7 (falsch gezählter Korb, 3.), 10:7 (4.), 15:15 (7.), 19:20 (8.), 19:28 (9.), 24:31 (10.), 24:37 (13.), 27:42 (15.), 39:48 (Halbzeit), 43:50 (22.), 50:50 (23.), 53:52 (25.), 57:55 (30.), 67:61 (35.), 74:74 (38.), 77:78 (0:12), 80:78 (0:01), 80:80 (40.), 82:82 (42.), 87:82 (43.), 87:89 (0:49), 88:89 (0:30), 88:92 (Endstand).

Punkte SNP BasCats: Nash 25/2, Gianotti 21/1, Arthur 13/1, Daub 12/2, Harris 12, Norton 4, van Veen 1, Palenickova 3, Zipser, Meusel.

Punkte Keltern: Cvitkovic 20/1, Brown 18, Thomas 17, Joseph 10/2, Vaughn 9, Mayombo 7, Jakobsone 6/1, Deura 2, Belobi Nawezhi.

Rebounds: 29:462 (SNP BasCats/Keltern): Harris 6, Nash 5, Gianotti 4 – Brown 8, Joseph 8, Vaughn 6, Cvitkovic 6.

Wurfquote aus dem Feld: 47:49%

Dreierquote: 27:25% (6/22:4/16)

Freiwurfquote: 65:73%

Ballverluste: 17:19

Stimmen zum Spiel:

Trainer Dennis Czygan: „Der Sieg wurde uns heute geklaut. Wir sind mit dem Endergebnis nicht einverstanden. Erst dieser Phantomkorb im ersten Viertel beim 5:4, dann der Pfiff in letzter Sekunde. Der Wurf war im Zweipunktebereich, also kein Dreier. Und ein Schiedsrichter hat das Spiel beendet, der andere zeigt ein Foul an. Unsere Mannschaft hat grandios gespielt, die Intensität vom Marburg-Spiel noch einmal gesteigert. In der zweiten Halbzeit haben wir die Defense noch etwas umgestellt. Klar, dass irgendwann auch die Kraft nachlässt. Es gibt überhaupt keinen Vorwurf an niemanden ob vergebener Freiwürfe oder eines Fehlpasses.“

Michala Palenickova: „ Was soll ich dazu sagen? Wir haben unser Herz auf dem Spielfeld gelassen. Das ist deprimierend.“

Janiek van Veen: „Wir haben alles gegeben, es war so ein enges Match. Nächste Woche schlagen wir Herne.“

Michael Rappe

Beitragsbild: Was für ein Fight! Foto: Tom Eisele