Ein Sieg des unbändigen Willens – AXSE BasCats kämpfen Hannover 81:78 nieder

Es sind noch 7,3 Sekunden zu spielen, als Brooke Le Mar zur Freiwurflinie schreitet. Die AXSE BasCats führen mit 79:78 gegen den TK Hannover. Wenn sie beide verwandelt, dann ist der Sieg so gut wie sicher. Die 26-jährige Aufbauspielerin aus Kalifornien schafft dies mit stoischer Ruhe und traumwandlerischer Sicherheit. Neun von neun Freiwürfen hat sie in diesem Spiel verwandelt. Hannover kommt nicht mehr vor den Korb, Schlusssirene. Aber einer der Schiedsrichter geht noch einmal zum Kampfgericht. Doch noch nicht Schluss? Trainer Dennis Czygan hebt fragend die Arme. Dann das erlösende Zeichen – Schluss, Sieg, der vierte Heimsieg in Folge ist geschafft, der fünfte Saisonerfolg in trockenen Tüchern. Co-Trainerin Serena Benavente registriert es als Erste, reißt die Arme hoch, dann bricht bei allen der Jubel los. Bei den Spielerinnen, beim Trainerstab. Kapitänin Anna Meusel hängt am Hals von Serena Benavente, erdrückt sie fast. Manager Stephan Winkler stürmt aufs Spielfeld, möchte die ganze Welt umarmen. Hallensprecher Gerald Hanbuch intoniert „Heimsieg! Heimsieg!“ Die Zuschauer in der Halle stehen schon seit längerem, sind restlos begeistert. Über 400 sind diesmal gekommen, Rekordbesuch für diese Saison.

Es war einmal mehr eine spannende, ja hochdramatische Partie. Beide Mannschaften schenkten sich rein gar nichts, beide hatten die Möglichkeiten, die Partie für sich zu entscheiden. Die Gäste aus Hannover warteten über weite Strecken mit einer frappierenden Treffsicherheit auf, versenkten zehn Distanzwürfe und hatten in Melissa Jeltema die überragende Spielerin der Partie in ihren Reihen. 29 Punkte markierte die US-Amerikanerin, vier Dreier versenkte sie, pflückte zehn Rebounds, gab drei Vorlagen und schaffte vier Blocks. 40 Minuten spielte sie durch, wohl auch der Tatsache geschuldet, dass Birte Thimm und Stefanie Grigoleit nicht zur Verfügung standen. Doch mit unbändigem Kampfgeist schaffte es die BasCats in der zweiten Halbzeit, die Kreise von Jeltema und auch von Aliaksandra Tarasava einzuengen. 21 Punkte hatte Jeltema schon nach der ersten Halbzeit auf dem Konto. Speziell Tiffany Jones-Smith leistete unter dem Korb Schwerstarbeit. Sie machte eines ihrer besten Spiele.

Von Beginn an zeigten beide Teams hohen Einsatz und hohes Tempo. Kein Team konnte sich absetzen, es gab allenfalls kleine Läufe von fünf, sechs Punkten. Ein Korb in letzter Sekunde führte zur 20:17-Führung für Hannover, das endlich seinen zweiten Auswärtssieg der Saison feiern wollte. Das zweite Viertel begann schlecht für die AXSE BasCats. Jeltema machte fünf Punkte in Folge, bei acht Zählern Rückstand nahm Dennis Czygan eine Auszeit. Es passte ihm nicht, wie frei Jeltema zu ihren Würfen kam. Doch zunächst wurde es nicht besser. Dann traf Reddick ihren einzigen Wurf des Spiels – wieder ein Dreier – zum 22:30, doch die Gastgeberinnen konterten mit einem 8:0-Lauf. In dieser Phase trafen die AXSE BasCats von der Freiwurflinie meist nur einen von zwei Versuchen, mit Ausnahme von Brooke Le Mar. Hannover schien erneut davonziehen zu können, als Jeltema mit einem weiteren Distanztreffer knapp zwei Minuten vor der Pause das 35:43 besorgte, doch die offensiv bärenstarke Sara Kranzhöfer, Rachel Arthur und Anne Zipser verkürzen auf vier Punkte Rückstand zur Pause.

Zu Beginn des dritten Viertels „explodierte“ Brooke Le Mar. Mit elf Punkten in weniger als drei Minuten, lediglich „gestört“ von einem weiteren Dreier Jeltemas, brachte sie ihr Team mit 52:48 in Führung, und nach zwei verwandelten Freiwürfen von Rachel Arthur stand es 54:48. Doch Hannover schlug zurück. Die AXSE BasCats „vergaßen“ Tessa Stammberger, die die nächsten Minuten mit acht Punkten am Stück bestimmte, ehe Jeltema mit einem Korb und Bonusfreiwurf den 11:0-Lauf der Gäste zum 54:59 beendete. Vee Young traf schlechte von der Linie, aber Jones-Smith und Anna Meusel verkürzten auf 63:66 nach dem dritten Viertel.

Dass die AXSE BasCats mittlerweile unberechenbar aus der Distanz sind, bewies Rachel Arthur zu Beginn des letzten Spielabschnittes. Ihre zwei Dreier und zwei Freiwürfe von Jones-Smith führten zur 71:68-Führung. Hannover blieb cool im Abschluss, jetzt trumpfte Dragana Gobeljic auf, drehte die Führung zusammen mit Stammberger erneut um (71:73), gekontert von Rachel Arthur und Sara Kranzhöfer, die sich großartig unter dem Korb durchsetzte, und Jones-Smith, die mit einer sensationellen Drehbewegung gegen Jeltema zum 77:73 traf. Die Zuschauer witterten den Sieg, feuerten ihr Team an, bis Tarasava per Dreier und Gobelic wieder für Ernüchterung sorgten (77:78). Nach einer Auszeit wurde ein Offensivfoul der Heidelbergerinnen (1:48 vor Schluss) zum Glück nicht mit Punkten bestraft. Dann stürmte Brooke Le Mar zum Korb, zog das fünfte Foul von Mihalyi, doch ihr Wurf verfehlte die Reuse. 22 Sekunden vor Spielende brachte sie ihr Team in Führung und stand 7,3 Sekunden vor Schluss wieder an der Linie. Mit dem oben geschilderten Ergebnis. Wo würden die BasCats stehen, wenn Le Mar die ganze Saison zur Verfügung gestanden hätte?

Es war eine beeindruckende kämpferische Leistung, die die Zuschauer wahrlich mitriss. Es ist Spekulation, aber auswärts wäre diese Partie vermutlich verloren gegangen. Die letzten paar Prozent können die AXSE BasCats bisher offenbar nur zu Hause herauskitzeln. Doch für den Klassenerhalt wird vermutlich auch ein Auswärtserfolg nötig sein. Bei einer Niederlage von Göttingen am Sonntagabend gegen Herne würde der Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz auf vier Punkte anwachsen. Das wäre erst einmal ein Polster, aber noch keine Vorentscheidung im Abstiegskampf. Für Spannung in dieser ausgeglichenen DBBL ist weiter gesorgt, und beim nächsten Heimspiel gegen Chemnitz (am 18. Februar, ausnahmsweise an einem Sonntag um 15 Uhr) darf das ISSW gerne noch voller sein als diesmal.

Stenogramm: 5:2 (2.), 5:7 (4.), 12:11 (7.), 15:13 (8.), 17:20 (10.), 17:25 (12.), 22:30 (13.), 30:30 (15.), 30:36 (16.), 35:43 (18.), 41:45 (Halbzeit), 48:45 (23.), 54:48 (24.), 54:59 (26.) 63:66 (30.), 71:68 (34.), 71:73 (35.), 77:73 (37.), 77:78 (38.), 81:78 (Endstand).

AXSE BasCats: Le Mar 20/1, Arthur 16/2, Jones-Smith 14, Kranzhöfer 10, Young 10, Zipser 6, Meusel 5, Angol, Chatzitheodorou, Lummer.

TK Hannover: Jeltema 29/4, Tarasava 14/2, Gobeljic 14/2, Stammberger 12/1, Vente 4, Reddick 3/1, Mihalyi 2, Bartsch, Brajkovic.

Rebounds: 52:35 (BasCats/Hannover): Jones-Smith 19, Kranzhöfer 7, Young 6 – Jeltema 10, Team 4, Mihalyi 4, Gobeljic 4, Stammberger 4.

Turnover: 9:8.

Wurfquote aus dem Feld: 38:42%

Dreierquote: 43:42% (3/7:10/24)

Freiwurfquote: 72:80%

Stimmen zum Spiel:

Trainer Dennis Czygan: „Der vierte Heimsieg in Folge, da kann man von Heimstärke sprechen. Wir leben von der Energie, dass müssen andere Teams erst einmal 40 Minuten lang mithalten. Trotzdem haben wir diesmal den Kopf nicht verloren. In der ersten Halbzeit haben wir nicht so verteidigt wie geplant, da hat Jeltema zu viele freie Bälle bekommen. Der Gegner hatte auch zu viele Rebounds. Ich habe der Mannschaft gesagt, wir müssen wieder die ‚BasCats-Defense‘ auf das Feld bringen. In der zweiten Halbzeit war Tiffany Jones-Smith einfach klasse. Sie sollte sich genauso in Jeltema reindrehen, wie sie es gemacht hat. Es war ein Sieg des Willens, alle haben sich gepusht. Anna Meusel beispielsweise kam aufs Feld und genau das gemacht, was sie sollte. Sara Kranzhöfer hatte Krämpfe, aber wenn sie so spielt wie heute, kann sie von mir aus immer Krämpfe haben. Das Beste ist, Brooke Le Mar ist noch nicht bei 100 Prozent…“

Anna Meusel: „Es war ein Arbeitssieg, wir haben heute nicht unseren besten Basketball gespielt. Aber wir wollten den Sieg von Anfang an unbedingt. In der Halbzeit hat uns Dennis Czygan gesagt, dass die auch müder werden. Wir konnten Melissa Jeltema dann mehr ärgern, das war der Schlüssel. Die Stimmung in der Mannschaft ist sehr gut. Brooke Le Mar gibt uns Sicherheit, sie lässt nie den Kopf hängen. Die Saison fliegt nur so vorbei, aber wir sind auf einem guten Weg. Ich hoffe, dass es nicht auf das letzte Spiel in Halle ankommt. Ich glaube, wir schaffen den Klassenerhalt.“

Michael Rappe

Zeugnis einer ganz hart umkämpften Partie: Erbitterter Kampf unter dem Korb. Foto: Tom Eisele