Exakt 50 Jahre ist es her, dass der USC Heidelberg und der Heidelberger Sportclub (HSC) die letzte Doppel-Meisterschaft für die Universitätsstadt holten. Um die Hintergründe aufzuarbeiten und den Blick in die heutige Zeit zu richten, treffen sich zwei Ex-USCler zum lockeren Gespräch: Wolfgang Lachenauer (74), Meisterkapitän von 1973 und Rechtsanwalt, und Joachim Klaehn (63), Kapitän der Zweitliga-Aufstiegsmannschaft von 1994 und Kommunikationsexperte der MLP Academics.
Wolfgang, am 24. März 1973 konntet ihr das zweite Finalspiel gegen den favorisierten MTV Gießen im BLZ für euch entscheiden. Wie lief das seinerzeit ab?
Wolfgang Lachenauer: Wir waren schon positiv überrascht und hatten nicht mit dem guten Ergebnis in Gießen (70:70) gerechnet. Plötzlich wurden wir vor dem zweiten Finale nervös, spürten den Basketball-Hype in Heidelberg. Mehr als 2.000 Zuschauer kamen ins BLZ, es war zugleich das erste Großereignis für das für die Olympischen Spiele 1972 erbaute Bundesleistungszentrum. In allen Bundesliga-Hallen hatten wir Olympiakörbe, die knallhart waren und bei Würfen nichts verziehen. Ich hatte gleich einen Luftkampf mit Roland Peters – und er brach sich nach sechs Minuten dabei das Schlüsselbein. Sie hatten lauter Nationalspieler und mit Anthony Koski einen ausgezeichneten Center. Wir waren eine geschlossene Mannschaft mit zwölf Leuten. Jeder hat sich für den anderen verrissen. Knapper kann man eine Meisterschaft nicht holen.
Was hat dieses Team 1972/1973 besonders ausgezeichnet?
Lachenauer: Wir hatten eine klare Rollenverteilung. Didi Keller agierte am Korb, Christoph Staiger holte Rebounds, Hilar Geze war unser Schütze von außen, Hans Riefling der überragende Playmaker und ich eben Verteidigungsspezialist. Wenn jemand eingewechselt wurde, füllte derjenige eben eins zu eins die Position und erforderliche Aufgabe aus. Trainer Dick Stewart führte ein strenges Regiment, bolzte mit uns Kondition, Kondition, Kondition. In der ersten Saisonhälfte konnten wir vor lauter Kraft kaum laufen, danach machte sich genau dies bezahlt. Wir hatten fünf verschiedene Systeme (lacht). Nach jedem Training gingen wir gemeinsam etwas trinken. Es war ein großer Zusammenhalt, eine tolle Gemeinschaft, sonst hätten wir den achten Meistertitel für den USC niemals geschafft. Das eigentliche Highlight folgte später – die Europapokalspiele gegen den portugiesischen Meister aus Maputo/Mosambik in Heidelberg und in Porto und die beiden Spiele gegen Real Madrid. Das Hinspiel (54:94) war in der Eppelheimer Rhein-Neckar-Halle, das Rückspiel war noch heftiger (Anm. der Red.: 48:120). Zum Bankett danach erschienen die spanischen Spieler in weißen Jacketts, wir hingegen in T-Shirts. Ich sagte nur: Jungs, ganz schnell essen und ein Getränk. Auf dem Rückflug musste unser Flugzeug nach dem Start wieder umkehren.
Auf Volker Heindel folgte als Trainer Dick Stewart von der High School. Was änderte sich damit? Welcher Trainertyp war Dick?
Lachenauer: Es war alles auf Englisch – das war die erste Umstellung. Dick gab kerzengerade Anweisungen mit seinem Brett, er zog seine klare Linie einfach durch. Unter Volker und „Lambi“ (Hans Leciejewski) lief das mehr im Verbund. Dick war für diese Saison genau der Richtige. Und unser Vorteil sollte sein, dass uns niemand so richtig auf dem Radarschirm hatte.
Wie hast du deine Rolle als „Captain“ interpretiert?
Lachenauer: Meine Stärken waren Verteidigung, Ehrgeiz und Einsatzwille. Hier habe ich versucht, die Mannschaft mitzunehmen. Einsatz für die Truppe war meine Devise. Alle haben an einem Strang gezogen, keiner war beleidigt, wenn er mal weniger spielte. Ich war vorher achter Mann gewesen, hatte oft mehr Fouls als Punkte gemacht (lacht). Mein Verhältnis zu Dick war natürlich bestens, er wusste was er an mir als Verteidiger hatte.
Wie hast du den Moment der Ehrung in Erinnerung behalten? Ihr habt eine flache, riesige Trophäe erhalten …
Lachenauer: Das war ein fürchterliches Ding – eine monströse Tafel. Du bist einfach im siebten Himmel, die ganzen Leute im BLZ, deren frenetischer Jubel – unvergesslich. Ich sagte mir: So, und jetzt machst du Examen! Jetzt hast du ein sportliches Ziel erreicht, ein schönes Studentenleben zwischen 18 und 24 Jahren gehabt. Man muss schon Tränen verdrücken, wenn man an diese Meisterschaft denkt.
Wie krachend wurde danach gefeiert?
Lachenauer: Wir waren anschließend zuerst im „Weißen Stein“ in Handschuhsheim. Das Lokal ist aus allen Nähten geplatzt. Gegen Mitternacht ging es weiter in die „Galerie Tangente“. Dort haben wir auf den Polstern getanzt, „It never rains in Southern California“ von Albert Hammond gesungen wie immer nach gewonnenen Spielen in der Kabine oder sonstwo. Gefühlt war die halbe Stadt am Feiern. Wir hatten immer rund 20 Leute um uns herum, diesmal waren es viel, viel mehr. Unser Teambetreuer „Pulver“ Kaiser hatte unseren Schlachtruf gebrüllt: „Ihr Dollbohrer!“ Ein nettes Schimpfwort. Unser Teammanager Dieter „Heisel“ Joseph stand wie „Pulver“ mit im Mittelpunkt des Geschehens. Diese Truppe hielt zusammen. Großartig.
Wie können und dürfen sich Basketballer von heute eure Rahmenbedingungen damals denn vorstellen?
Lachenauer: Wir haben dreimal jeweils eineinhalb Stunden pro Woche trainiert. Zweimal hart, einmal war Wurftraining. Prägend waren die Fahrten mit dem Zug oder Bus, die „Heisel“ stets organisierte. Der USC war wie eine zweite Heimat für uns Spieler. Die Identifikation mit dem Verein war hundertprozentig vorhanden. Man lernte als Einzelner auch viel fürs Leben – beispielsweise sich zu konzentrieren, wenn es darauf ankommt. Für andere da zu sein. Als Anwalt bin ich ja auch Helfer, um mal den Bogen zu meinem späteren Beruf zu spannen.
Gab’s eine Meisterprämie für euch?
Lachenauer (lacht): 500 Mark gab’s für jeden. Ansonsten waren es für die meisten 200 DM monatlich, für die Jungen 100 DM. Ich bin einige Tage später mit Didi, Christoph und Eckhard (Anm. der Red.: Zwillingsbruder von Wolfgang, der vor der Saison 1972/1973 zur KuSG Leimen wechselte) spontan zum Skifahren nach Zürs gereist. Das war sündhaft teuer – nach zwei Tagen war unser Meistergeld weg. Didi wurde wegen seiner Länge überall angesprochen, Christoph stand zum ersten Mal auf Skiern. Ein verrückter Trip von uns Vieren halt.
Die Damen des HSC und der KuSG kämpften danach im Mai um den Titel. Wie eng war euer Kontakt als USC-Spieler?
Lachenauer: Wir haben das schon mitgekriegt. Es gab wenig Überschneidungen. Man hat Spielerinnen wie Milena Veckova oder Gisi Pupp und den HSC-Trainer Dr. Wolfgang Heinker gekannt und hier und dort mal gesehen. Um ehrlich zu sein, war der USC als Klub damals kein Teamplayer, die Skepsis der anderen Vereine war entsprechend groß. Ich habe später als USC-Vorstandsmitglied immer wieder versucht, den Kontakt zu anderen Vereinen herzustellen. Es blieb – leider – schwierig.
Wie würdest du den damaligen Stellenwert des Damen-Basketballs einordnen?
Lachenauer: Na ja, Basketball war grundsätzlich eine Randsportart. Für Damenbasketball war Leimen bekannt. Ich habe Gisi Pupp bewundert, die konnte einen astreinen Sprungwurf. Milena Veckova vom HSC war eine tolle Spielerin, sie hatte meine Hochachtung. Im USC selbst wurde Damenbasketball lange, lange Jahre ganz niedrig gehalten.
Vergleiche sind im Sport oft müßig. Dennoch: Was sind die Hauptunterschiede zwischen eurem Team von 1973 und den MLP Academics heute?
Lachenauer: Ganz klar die Athletik und die individuelle Qualität. Der Aufwand ist zudem ein ganz anderer. Ich kritisiere die Amerikanisierung im deutschen Basketball sowie in der BBL. Ich sitze mit meiner Frau in der siebten Reihe schräg hinter der Gästetrainerbank im SNP dome. Oft sehe ich auf dem Feld irgendeinen ,Flieger‘ Richtung Korb und kann kein System erkennen. Früher hätte man dazu Halligalli gesagt. Oft steht auch kein einziger Spieler unterm Korb, für die Rebounds. Aber insgesamt hängt natürlich mein Herz dran – ich versuche bei jedem Spiel in Heidelberg dabei zu sein. Schwierig ist die Identifizierung – hoffentlich kann man mal einige Spieler wie beispielsweise Vincent Kesteloot nach der Saison halten.
Wie siehst du die aktuelle Entwicklung der MLP Academics als Organisation?
Lachenauer: Man hat es mit einer dünnen Personaldecke im Office geschafft, Aufmerksamkeit zu erzielen. Ich habe nicht geglaubt, dass so viele Zuschauer in den SNP dome oder auch in die SAP Arena strömen werden. Diese Euphorie ist wirklich sehr positiv. Meines Erachtens nach müssten mehr Fanklubs, noch mehr Nähe zu allen Sportinteressierten entstehen. Und die Identifikation ist ein wichtiger Punkt. Die Aufgabe ist es, Spieler zu halten und vor allem die Strukturen vereinsübergreifend zu verbessern.
Was ist in Zukunft – idealtypisch – in der „alten“ Basketball-Hochburg möglich?
Lachenauer: Vor zehn Jahren habe ich eine Besucherreise als Gemeinderatsmitglied in Heidelbergs Partnerstadt Rehovot in Israel gemacht. Dort stellten der Sportkreisvorsitzende Gerhard Schäfer, OB Eckart Würzner und ich fest, dass wir unbedingt eine Großsporthalle in Heidelberg benötigen. Das ist passiert, worüber ich mich sehr freue. Hut ab vor den Zuschauerzahlen und der Atmosphäre im SNP dome. Es gilt wie erwähnt, eine gewisse Fankultur aufzubauen, Sportinteressierte generationsübergreifend in der Region abzuholen und eine Akademie als Unterbau und Talentschmiede zu installieren. Man kann da sicherlich als MLP Academics etwas daraus machen. Im Unterschied zu meiner Generation kann man ja mit Basketball heutzutage ganz gutes Geld verdienen.
Wolfgang, herzlichen Dank für das interessante Gespräch – und beste Grüße ans Meisterteam der „Dollbohrer“.
Wolfgang Lachenauer wurde am 22. Januar 1949 in Heidelberg geboren. Gemeinsam mit seinem Zwillingsbruder Eckhard hatte „Wölfi“ erst Hockey beim Heidelberger HC vom zehnten bis zum 16. Lebensjahr gespielt. Dann meldete die Tante der beiden Lachenauers die Jungs bei Hans „Lambi“ Leciejewski vom USC zum Basketball-Training an. 1973 war Wolfgang Lachenauer der Kapitän der Meistermannschaft. Nach seiner USC-Ära spielte der Verteidigungsspezialist und Teamplayer noch beim TV Eppelheim.
Lachenauer studierte zwischen 1967 und 1974 Rechtswissenschaften in Heidelberg und in Göttingen und wurde Fachanwalt für Steuerrecht. Inzwischen führt der 74-Jährige gemeinsam mit seinem Sohn Marc (45) die gleichnamige Kanzlei „Lachenauer Anwälte“ in der Vangerowstraße 2/2.
Er war viele Jahre lang im USC-Vorstand tätig und saß für die Wählerinitiative „Die Heidelberger“ zwischen 1994 und 2021 im Gemeinderat der Stadt Heidelberg. Zu seinen Hobbys zählt das Golfen, vornehmlich auf dem Gelände des Golfclubs Rheintal Oftersheim.
Joachim „Jogi“ Klaehn
MLP Academics Heidelberg
Kommunikation und Medien
Fotos: Slg. Wolfgang Lachenauer